Diskussion pädagogisch orientierte digitale Schulentwicklung

Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von Sandra Bülow -
Anzahl Antworten: 7

Besonders erwähnenswert, da mir nicht bewusst, ist die Perspektive des Schulträgers, auf OpenSource zu setzen und zwar nicht nur beim LMS oder einzelnen Anwendungen, sondern als Betriebssystem. Mir ist kein Beispiel in NRW bekannt. Gibt es Schulträger in NRW, die das auch machen? Wie sieht es in anderen Bundesländern aus? Welche Erfahrungen wurde dort bei der Ausstattung gemacht? Wie haben die Schulen reagiert, die eher mit konventionellen Produkten arbeiten möchten?

Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von gelöscht -
Hallo, kein Beispiel aus NRW aber aus Sachsen-Anhalt. Ich betreue 36 weiterführende Schulen und arbeite für den Landkreis Harz. In Sachsen-Anhalt betreut der Landkreis nur alle weiterführenden Schulen (Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, Förderschulen,...).
Wir haben nun insgesamt 1 Jahr unterschiedliche Open-Source Lösungen erprobt, teilweise mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Nun haben wir uns für ein System entschieden, Puavo. Hier läuft gerade die Ausschreibung über einen Rahmenvertrag. Ziel ist es, alle Schulen in unserem Kreis mit dieser Lösung zu betreiben. Es handelt sich um ein Linux Betriebssystem für Endgeräte und Server, gleichzeitig steckt dahinter aber auch eine Geräte und Nutzerverwaltung (wird unbedingt benötigt und ist eigentlich der Kern von allem). Vollständig abgeschlossen wird der Prozess planweise Ende 2024.
Wir schreiben den Schulen nicht vor, dass sie ausschließlich Linux benutzen dürfen. Das ist gar nicht möglich. Die Pilotschulen setzen allerdings voll auf Linux und sind zufrieden bzw. möchte eine Pilotschule noch auf Linux umstellen, bisher betreiben wir dort erst einen Klassensatz Notebooks mit Linux.
Die Nachfrage nach Linux ist momentan enorm und wir kommen mit der Umstellung kaum hinterher. Es gibt aber auch noch einige Skeptiker, die noch überzeugt werden müssen.
Wichtig war es, ein System zu finden welches in Schule perfekt funktioniert und gleichzeitig einen Partner zu finden, der unsere Administratoren vernünftig ausbildet, auch Updates spielen eine wichtige Rolle.

Wir haben aber auch Schulen, die setzen auf iPads, gerade Förderschulen. Auch diese Geräte werden dann über Puavo (in Kombination mit einem Mobile Device Management) verwaltet. Ebenfalls haben wir Berufsschulen, welche auf CNC Programmierung angewiesen sind. Hier werden wir auch langfristig weiterhin ein Windows Kabinett betreiben aber auch dieses wird über Puavo verwaltet. Gleichzeitig können dort aber auch Linux Endgeräte betrieben werden, kein Problem.

Es geht denke ich nur Hand in Hand und macht keinen Sinn eine Sache zu verteufeln. Meine Aufgabe sehe ich dann darin, Datenschutzkonforme und Datensparsame Lösungen zu finden. Windows 10 in der Standard Konfiguration möchte ich in keiner Schule betreiben und wenn Apple iPads zum Einsatz kommen legen wir keine managed Apple IDs an sondern die Benutzer liegen auf unserem eigenen Server, so sind trotzdem "shared iPads" möglich.
Das Benutzerkonto bleibt dabei immer gleich, egal ob am iPad, Linux PC oder Notebook oder am Windows Rechner. Die Schule hat die freie Wahl.

Mir ist in der Form kein Schulträger bekannt, der ein ähnliches Konzept betreibt, vor allem mit dem starken Fokus auf Linux in der Fläche.
Wenn du mehr wissen möchtest kannst du dich gern melden.

Martina

Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von Dieter Pannen -

Im (Schul-)Serverbereich setzen sehr viele Schulträger auch in NRW OpenSource-Produkte ein. Die von der RegioIT Aachen betreuten Schulen und Schulträger setzen die Univention Lösung UCS@School ein. Die Stadt Duisburg hat alle Schulen mit dem ISERV Schulserver (Basis Debian Linux) ausgestattet. Die Firma AixConcept aus Aachen und das Kommunale Rechenzentrum Niederrhein - KRZN  betreuen in NRW mehrere Kreise und setzen Microsoft Server ein.

Viel interessanter scheint mir aber die Frage zu sein, welches Betriebssystem auf dem Desktop/Laptop zum Einsatz kommt, wenn jetzt immer mehr Schulträger dazu übergehen, Laptops für SuS anzuschaffen.

Marktanteile Desktop/Laptop


Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von Carsten Burkhardt -
Interessanterweise ist der Marktanteil von Unix bei mobilen Endgeräten nahezu 100% und davon Linux ca. 80%: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/184332/umfrage/marktanteil-der-mobilen-betriebssysteme-in-deutschland-seit-2009/
Der Anteil an mobilen Endgeräten ist vielfach gestiegen und der von PC eher rückläufig. Dabei ist der Trend unabhängiger von Herstellern zu werden und auf freie Alternativen zu wechseln auch gegeben. Die von Dieter genannten Zwischenschritte über Serverlösungen in NRW haben sich dort sicher noch nicht auf dem Desktop ausgewirkt, oder?

Insofern haben wir hier in Sachsen-Anhalt durch die Evaluierung der verschieden Ansätze schon einen Vorsprung. Wir haben in verschiedenen Pilotschulen in der Praxis bewährte und bekannte Konzepte zum Einsatz gebracht. Durch das Fachnetzwerk "Digital-vernetztes Lernen" und Unterstützung von LiGa und DKJS ist da viel Vorarbeit geleistet wurden. Davon profitiert auch die Entwicklung im Landkreis Harz.
Wie FreeCAD, LibreCAD beispielsweise zeigen, werden auch Dinge für die berufliche Ausbildung mit freier Software möglich sein. CNC, PAL, G-Code sind selbstverständlich unter Linux bewährte Dinge. Oder kaufmännische Ausbildung kann man mittlerweile plattformunabhängig im Brower bewerkstelligen. Immer weniger werden proprietäre Dinge zwingend notwendig sein. Leider halten sich unsubstantiierte Falschaussagen hartnäckig. So verstehe ich auch Kollegen Oliver von VW in Perspektiven.
Hier ist eine große Chance, wenn man sich vom konservativen Denken löst und die freien Möglichkeiten ausschöpft. Denn nicht nur die Industrie und Rechenzentren benötigen diese vielfältigen Vorkenntnisse beim Nachwuchs.

Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von Ralf Krause -

Hallo zusammen,

die Diskussion geht gerade weit weg von Sandras ursprünglicher Frage, ob nämlich Open Source auf den beim Lernen verwendeten Geräten installiert ist. So habe ich jedenfalls die Frage nach der schulischen Ausstattung verstanden.

Dass inzwischen das Betriebssystem des Servers, die Nutzerverwaltung, die Dateiverwaltung und die weitere Infrastruktur im Hintergrund vielfach auf Open Source basiert, ist sehr erfreulich. Und angeblich beziehen die installierten Hintergrunddienste die digitalen Endgeräte jeder Größe (Notebook, Tablet Smartphone) und aller Betriebssysteme (Windows, macOS, Linux, iOS, Android) mit ein.

Wenn im Hintergrund der Server mit Debian Linux läuft, die Nutzerverwaltung auf OpenLDAP basiert, die Dateiablage über die NextCloud bereitgestellt wird und die WLAN-AccessPoint mit OpenWrt arbeiten, ist das sicher sehr nachhaltig und zukunftssicher. Wenn aber einzelne Bausteine wie z.B. der Internetfilter oder das Überwachungssystem als Closed Source und Man-in-the-Middle-Attact dazwischen hängen, könnten bereits wichtige System- und Sicherheitsdienste nicht funktionieren.

Als schulische Ausstattung wird genau das wahrgenommen, was die Schüler/innen und Lehrkräfte in der Hand halten, nicht das was in der Infrastruktur im Hintergrund läuft. Wenn ein Schulträger weiterhin Computerräume aufbaut und mit Microsoft Windows, Microsoft Office und Totalüberwachung installiert, wird man in der Schule nach außen Microsoft erkennen, aber kein Open Source. Außerdem ist die Offenheit einer Schule auch immer nur relativ. Nicht selten sind mobile Endgeräte (BYOD) mit beliebigen Betriebssystemen zwar erlaubt, werden aber als externe Geräte ohne Zugriff auf die schulische Dateiablage einbezogen ... der unterrichtliche Austausch wird blockiert.

Verlässt man sich einfach blind auf externe Beraterfirmen, bei denen alles aus einer Hand kommt ... Beratung, Medien- und Ausstattungskonzept, Lieferung von Hard- und Software? Hoffentlich nicht! Viele Firmen handeln ausschließlich in eigenem Interesse. Und müssen Absolventen der Sekundarstufe I oder II wirklich alle Tastenkombinationen eines bestimmten Betriebssystems und einen weit verbreiteten Office-Pakets drauf haben?

Aber sind denn die Schulträger, die Schulleitungen und die Lehrkräfte überhaupt in der Lage, fundierte Entscheidungen für eine nachhaltige schulischen Ausstattung zu treffen. Wer unterstützt sie bei der Entscheidung? Alle glauben, mit dem eigenen Endgerät, dem Betriebssystem und den Programmen die richtige Wahl getroffen zu haben und sich am besten auszukennen. Lässt sich das einfach auf Schule übertragen? 

Es braucht einen wirklich offenen Dialog und umfassende Fortbildungsmaßnahmen für Schulleitungen und Lehrkräfte, um den digitalen Wandel in den Schulen endlich umzusetzen. Die Technik muss den pädagogischen Anforderungen folgen!

Herzliche Grüße
Ralf

Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von Matthias Baran -
Hallo in die Runde,

im Kontext zum Schulalltag kenne ich nur den Blick von der Basis. So sehe ich live, was im Alltag geht. Dort hat Freie Software für mich real eine tragende Rolle, vor allem auch auf den Endgeräten, in der Anwendung und ich kann den Schüler*innen das auf Augenhöhe zu kommerziellen Produkten offen anbieten.

Bisher hatte ich das Glück, viel Verantwortung selbst übernehmen und die Software-Ausstattung immer sehr flexibel und autonom gestalten zu können.
Sicher kratze ich da nur an der Oberfläche, aber bislang kann ich große Teile der anliegenden Aufgaben gut abdecken: Programmierung, Textverarbeitung, Präsentation, Dokumentation, Illustration, Kollaboration usw. und gleichzeitig Themen wie Privatsphäre, Datensouveränität etc. mit einpreisen.

Meine Erfahrung ist, dass sich der vielfach konstruierte Gegensatz aus kommerziellen und freien Werkzeugen im realen Tun auflöst. Für mich geht es um Handlungsfähigkeit. Natürlich nutzen um mich herum die meisten Lehrer*innen nach wie vor kommerzielle Produkte, eingebettet in kommerzielle Strukturen und Plattformen. Das prägt nachhaltig die Wahrnehmung ihrer Arbeitsumgebung – und das der Schüler*innen gleich mit.
Gleichzeitig erlebe ich, dass ein Großteil der auflaufenden Probleme dann real durch freie Werkzeuge und Materialien getragen und bewältigt wird und nicht zuletzt durch freie kollegiale Verfügbarkeit von Kenntnis und Hilfestellung. Sonst gäbe es oft gar keine Handhabe. Das ist schizophren. Ich versuche das durch Reflexion und Hilfe zur Selbsthilfe in der Perspektive abzumildern, allerdings mit sehr verhaltenem Erfolg.

Meine Erfahrung also mit freier und quelloffener Software im Anwendungsbereich: es geht super, aber es bedingt und fördert gleichzeitig eine andere Arbeitshaltung. Das muss gewollt, gekonnt und geübt werden. Dazu braucht es Assistenz, Service, Austausch, Raum und Zeit zur eigenen Bildung, Ressourcen zur Entwicklung und Pflege …

Da alles das vielerorts noch nicht existiert, wird es viele Anlaufschwierigkeiten geben, die man aushalten, ernsthaft angehen und die man finanzieren muss.

Mit der Installation einiger freier Tools ist es nicht getan.

Herzliche Grüße
Matthias

Antwort: Schulträger setzen flächendeckend auf OpenSource

von gelöscht -
Guten Morgen Ralf,
ich sehe keine Möglichkeit von heute auf morgen sofort alle Schulen vollständig auf Open Source umzustellen. Die Akzeptanz wäre sehr gering. So viel wie ich in den letzten Wochen darüber mit Lehrkräften gesprochen habe hab ich glaube ich die letzten 10 Jahre nicht geredet. Das Interesse ist enorm, es ist aber noch sehr viel Aufklärung notwendig.

Es ist ein wachsender und wichtiger Prozess. Wir produzieren gerade OER Videos (zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten) und stellen dort unser System allgemein vor und dann einzelne Anwendungen. Diese stellen wir den Lehrkräften zur Verfügung.

Wir haben Schulen die sind bereits sehr aktiv und helfen sich selbst. Wir haben aber auch Schulen, die haben einen anderen Fokus und die wollen sich nicht lange einarbeiten, die wollen nicht selbst betreiben sondern sich an das Endgerät setzen und es soll funktionieren.
Linux sehe ich hier als Ideallösung an, keine lästigen Wartezeiten mehr, weil das Windows Update gerade geladen wird usw.
Damit die Schule das versteht ist aber oft viel Arbeit notwendig.
Wir bieten aktuell an, wenn eine SCHILF ansteht kommt jemand aus meinem Team dazu und klärt zum Thema Open Source auf, zeigt praktische Beispiele usw. die Lehrkräfte können vorab auch Fragen senden.
Im Rahmenvertrag haben wir Schulungen fest verankert (monatlich), an diesen nimmt nicht nur das IT Team teil sondern interessierte Lehrkräfte sind genauso willkommen.

Mit OpenWRT haben wir leider nicht so gute Erfahrungen gemacht, von Hardware welche uns mit 500% Preisaufschlag verkauft wurde bis die von dir beschriebene Man-in-the-Middle-Attac bis volle Abhängigkeit von der Gunst einer externen Firma.
Es war eine Erfahrung und wir lernen ja täglich dazu. Da wir perspektivisch (50 Schulgebäude) ca. 2500 Access Points betreuen und jede Schule selbst bestimmt wie das WLAN genutzt wird (pädagogisches Konzept! RADIUS, freies WLAN, Voucher,....) sehe ich keine Möglichkeit dies mit OpenWRT abzubilden. Die Wartung kann aus meiner Sicht kein Träger übernehmen, wir jedenfalls nicht. Für Schulprojekte/AGs usw. halte ich OpenWRT aber für eine nette Idee um Netzwerkgrundlagen zu vermitteln. Auch hier setze ich wieder auf Fortbildung, statt monatlich/jährlich teure Wartungsverträge oder Lizenzen zu kaufen. Ich möchte, dass mein Team gut ausgebildet wird und die Netzwerke selbst betreut, keine Abhängigkeit und volle Flexibilität, Investition in Bildung.

BYOD ist ein wichtiges Thema, aktuell erhalte ich die Frage auch von vielen Lehrkräften. Ich möchte grundsätzlich jedem die Möglichkeit geben ein freies Netzwerk in der Schule zu nutzen. Das ist ja auch vernünftig. Welcher Aufwand dahinter steckt ist vielen nicht Technikern aber einfach nicht bewusst. Ein paar Schlagworte sind da schnell geschrieben. Möchtest du ein Windows 7 Gerät im Netz welches noch nie ein Update gesehen hat und verseucht ist mit irgendeinem Wurm? Wie gehst du sicher, dass dieses Gerät im Netzwerk keinen Schaden anrichtet oder über deinen Anschluss fröhlich SPAM in die Welt sendet?

Solche Geräte werde ich also nie in das "echte" Schul- oder Verwaltungsnetz lassen.
Trotzdem soll jeder Zugriff auf die persönlichen Daten erhalten, das lösen wir über eine Cloud (ebenfalls Teil des Rahmenvertrages). Sobald also Internet vorhanden ist, das kann auch aus der Schule aus einem Gastnetz kommen, hat der Benutzer die Möglichkeit die benötigten Dateien personalisiert aus der Cloud zu laden. Sicher gibt es da noch weitere Ansätze, wir sind immer Gesprächsbereit.

Wir sollten nicht so viel schwarz und weiß denken, ich finde es wichtig sinnvolle und verwaltbare Lösungen zu finden. Bisher musste ich noch nie sagen, der Wunsch einer Schule ist unmöglich, der Weg ist nur manchmal etwas komplexer.

Ich stimme Matthias Baran voll zu, gerade beim letzten Absatz
"Meine Erfahrung also mit freier und quelloffener Software im Anwendungsbereich: es geht super, aber es bedingt und fördert gleichzeitig eine andere Arbeitshaltung. Das muss gewollt, gekonnt und geübt werden. Dazu braucht es Assistenz, Service, Austausch, Raum und Zeit zur eigenen Bildung, Ressourcen zur Entwicklung und Pflege …

Da alles das vielerorts noch nicht existiert, wird es viele Anlaufschwierigkeiten geben, die man aushalten, ernsthaft angehen und die man finanzieren muss.

Mit der Installation einiger freier Tools ist es nicht getan.
"

Das kann ich nur vollständig unterschreiben. Aber der Weg lohnt sich.